Laufend schaffen Staaten Anlässe, die zur Verteidigung von nationalem Glanz und Gloria Kriege gebieten. Die Grundsätzlichkeiten staatlichen Handelns beurteilt die an Scheidung in Gut und Böse interessierte kommentierende Öffentlichkeit realistisch differenziert. So nimmt sich für sie z. B. der Empire-Wille der Limeys, sich nicht von dahergelaufenen Gauchos einen mit Schafskötteln übersäten Steinhaufen namens Falklandinseln wegnehmen zu lassen, als lediglich »überhebliche, absurde Geste« aus, weil die Statur Großbritanniens nach dem Zweiten Weltkrieg nun einmal zurechtgestutzt worden ist. Anders, nämlich als ungleich »plausibler«, da unbestreitbar gültig, sehen die Kommentatoren Territorial- und Ressourcenansprüche, wenn sie von einer Großmacht, eben weil sie die Nummer eins ist, erhoben werden können.
Dieses Glück gottgewollten Erfolgs inspiriert den MAGA-Visionär Trump, der sich bei seinen Deals an die staatliche Vorgabe von Krieg als dem entscheidenden Friedensmittel hält und nicht etwa von ihr abkehrt, bei seinem lauten und gezwitscherten Nachdenken; z. B. über eine Freistaatenregelung à la Puerto Rico für Panama, über eine nahöstliche noch Gaza genannte Riviera für Höchstleister, über eine den USA vorbehaltene Nutzung ukrainischer Rohstoffe und Böden; und schließlich kann er sich – warum denn auch nicht? – vorstellen, aus Grönland einen weiteren US-Bundesstaat zu machen (ein Anspruch, zu dem sich Dänemark auffallend bedeckt hält). Darüber hinaus ließe sich doch auch noch das Ärgernis der international niemandem so recht gehörenden Arktis und Antarktis aus der Welt schaffen, indem sich »America first« als endgültiger Herr an den Polen etabliert. (Ziemlich mickrig nimmt sich dagegen der in grellen Farben gemalte Expansionismus des russischen Fürsten der Finsternis aus, der übrigens bekundet, dass er die Grönland»frage« für »ernst«, also für noch eine Gewaltfrage hält.)
So etwas Großes will auch »Europa« nicht nur wollen, sondern auch können können. Selbst hungrig will es dabei nicht vom gefräßigen großen Bruder kurzgehalten werden. Schließlich ist es ja kein »shithole country« mehr; dem »Zuwachs an Verantwortung gehorchend«, wie die Medien zu betonen nicht müde werden, darf es sich einfach auch nicht mehr wie ein solches benehmen. Wo kämen wir denn da hin?! So die Logik dieses Willens.
Nur: Woher kommt diese Maßlosigkeit? Kommt der Wille zu ihr aus ihm selbst und sonst nichts? Könnten sich Staaten denn nicht einfach zu einem anderen Wollen, zu Selbstgenügsamkeit und damit dazu, von Gewalt zu lassen, bekehren, wie ihnen häufig kritisch angetragen wird? Nein – eine solch hehre Wende steht nicht zu ihrer freien Disposition: Als ihre kapitalistische Existenzgrundlage fördernde folgen sie dem Zweck und Zwang, unaufhörlich aus Geld mehr Geld zu machen; ihr Eigeninteresse weiß: ohne dieses Wachstum geht es nicht. Es muss mit Benutzung von Partnern, Rivalen und Feinden per ökonomischem Kräftemessen und militärisch bewehrt nach außen durchgesetzt werden, bei Strafe des Unterliegens im Wettbewerb. Der internationale Hunger des Staats entspringt dem der Kapitale, die sein keine Grenzen kennendes Mittel sind.
Dies ist der wesentliche Antrieb modernen Staatshandelns. Erklärt man es nicht aus diesem Grund, so wird aus dem existenten Gegensatz von Herr und Knecht, Staat und Bürger, eine leere Abstraktion: der Staat ist dann Herrschaft pur. Diagnostiziert man grundsätzlich, dass es ihm ausschließlich darum gehe, zu herrschen, kann man historisierend daraus, dass Staaten Gewaltresultate sind, falsch »schließen«, es müsse ihnen »somit« immer weiter um Gewalt gehen. Und das folgt aus dem Ursprung eben nicht zwangsläufig. Oder man kann psychologisierend bei Herrschern beliebige verwerfliche wie edle »Motive« bzw. eine Veranlagung zu diesen entdecken (das Verfahren wird auch Voluntarismus genannt). Will Bill Gates alle vergiften? Leidet Putin nun an Hybris, wird Trump gerade zum Friedensstifter? Und so weiter und so fort.
Indem z. B. Ole Nymoen sich mit dem Einspruch begnügt, Staatswohl stehe eben im Gegensatz zu dem des Einzelnen – so sei der Staat nun mal (immer schon gewesen) –, lässt er Raum für falsche, da voluntaristische Ausdeutungen und muss sich mit diesen in Talkshows (z. B. mit Bosettis Forderung »Ich will, dass du ringst!«) herumschlagen. Das ist auch eine Schwäche seines Buches (»Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde«). Dennoch ist seine Verweigerung von Kriegsgefolgschaft und vor allem von Verständnis für den Staat, das herkömmlicher Pazifismus ja eben nicht aufkündigt, in dieser kriegsbereiten Zeit außergewöhnlich. Ungeachtet des erwähnten blinden Flecks bleibt zu wünschen, es »verstiegen« sich viele zu seiner Haltung. Wenigstens.